Es reicht! Wie das Dresdner Gedenken an den 13. Februar missbraucht wird und warum wir Demokraten uns dagegen wehren müssen – Erinnerungspolitischer Kommentar von Holger Hase

Holger Hase
Holger Hase

Von Holger Hase (Kreisverband Dresden)

Es ist wiedermal soweit: Dresden steht vor dem Jahrestag der Bombenangriffe vom 13./14. Februar 1945 und wird mit zahlreichen Veranstaltungen an die Katastrophe vor 72 Jahren erinnern. Denn dieses historische Ereignis hat die Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert nachhaltig geprägt und spielt für das Selbstverständnis vieler Dresdner Familien noch heute eine wichtige Rolle. Das Erregungspotential, das mit diesem Gedenktag verbunden, die unterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen der Geschichte haben schon immer für politischen Sprengstoff gesorgt. Dies steigerte sich vor einem Jahrzehnt zu geschichtsrevisionistischen Massenaufmärschen von Rechtsextremen, die durch gewaltsame Gegenproteste der Linksradikalen beantwortet wurden. Trauriger Höhepunkt: der 19. Februar 2011, als in der Südvorstadt und am Hauptbahnhof Autos und Mülltonen in Flammen aufgingen, Straßenschlachten für bürgerkriegsähnliche Szenen sorgten.

Gedenkveranstaltung zum 13. Februar auf dem Dresdner Heidefriedhof
Gedenkveranstaltung zum 13. Februar auf dem Dresdner Heidefriedhof (Bild: privat)

Es hat die Bürgerschaft und die Vertreter des demokratischen Spektrums viel Kraft gekostet, diesen Konflikt sukzessive „auszutrocknen“, ihm Stück für Stück den Boden zu entziehen. Dies war mit einem schmerzlichen Lernprozess verbunden, bei dem der eine oder die andere sich auch von liebgeworden „Wahrheiten“ trennen musste. Man hatte eigentlich gehofft, dass das Schlimmste nun vorbei wäre. 2015 und 2016 verliefen die Jahrestage weitgehend ruhig und ohne größere Provokationen der extremen politischen Rechten und Linken. Doch dies scheint nun vorbei. Durch PEGIDA und Co. hat sich das Klima in der Stadt verändert. Der Umgangston ist rauer geworden. Und im Bundestagswahljahr 2017 will die politische Rechte das Mobilisierungspotential dieses neuralgischen Punktes im Dresdner Selbstverständnis nutzen, um Protestwähler und heimatlos gewordene Konservative zu ködern. Das ist durchsichtig und unappetitlich zugleich. Denn statt sich ernsthaft mit der Geschichte auseinanderzusetzen, vergreifen sich diese Möchtegerngeschichtspolitiker im Ton, hetzen im Netz und den sozialen Netzwerken und behaupten wieder einmal, dass das Dresdner Gedenken abgeschafft werden soll.

Höhepunkt dieser Exzesse: Beleidigungen und sogar Morddrohungen gegen Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der am vergangenen Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz das diesjährige Konzept zum Umgang mit dem historischen Jubiläum vorstellte. Was da auf das Stadtoberhaupt einprasselte, ist unglaublich. Vor allem die AfD steht hier in der Verantwortung. Ihr Jugendverband, die Junge Alternative (JA), wetterte ganz besonders lustvoll gegen unseren OB und bereitet somit den geistigen Nährboden für noch schlimmere Hetzer. Nach dem Auftritt von Höcke vor wenigen Tagen im „Ballhaus Watzke“ ein neuer Tiefpunkt der Geschmacklosigkeit und des Geschichtsrevisionismus. Dabei hat die AfD überhaupt keine Kompetenz im erinnerungskulturellen Bereich. In Dresden hat sich bisher kein Vertreter der Partei durch geistreiche Bemerkungen in diesem Politikfeld hervorgetan. Wie immer bei den Rechtspopulisten, wird viel Wind gemacht, ohne dass Substanz dahinter steckt. Das braucht niemand und hier muss auch im bürgerlichen Lager klare Kante gezeigt werden. Die meisten Dresdnerinnen und Dresdner werden in wenigen Tage ganz persönliche, auf ihre Art, dem Jahrestag der Zerstörung der Stadt gedenken. Dazu bedarf es keiner AfD, keiner Ittners, Krahs oder Ostrowskis.

Zum Autor: Holger Hase ist Historiker und Kreisvorsitzender der FDP Dresden.