Nationalfeiertag? – Ein Beitrag zum Tag der Deutschen Einheit von Holger Hase
Dieser Beitrag wurde erstmals am 3.10.2020 auf Facebook veröffentlicht.
Von Holger Hase (Kreisverband Dresden)
Ich frag mich immer, ob es gut und richtig war, den Tag, an dem die fünf Bundesländer nach Artikel 23 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten sind, zum Nationalfeiertag zu erheben? Anders als bei den Amerikanern der 4. Juli oder bei den Franzosen der 14. Juli, hat der 3. Oktober bei uns kaum dieselbe, milieuübergreifende Verbindlichkeit, löst keinen Enthusiasmus aus oder führt gar zu überschwänglichen patriotischen Gefühlsausbrüchen.
Das mag seine Gründe haben: Es liegt vielleicht daran, dass sich die Politik in den letzten 30 Jahren in erster Linie um eine Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bemüht, aber kaum etwas für eine mentale Zusammenführung der Deutschen in Ost und West getan hat. Es mag auch daran liegen, dass die Überwindung der SED-Diktatur durch die friedliche Revolution, die letztendlich den Weg zur deutschen Einheit freimachte, keine gemeinsame und damit verbindende historische Erfahrung war. Die Westdeutschen mussten nicht um ihre Freiheit kämpfen, sie wurde ihnen 1949 quasi von den Westalliierten „geschenkt“. Die Chance einer neuen gemeinsamen Verfassung nach Artikel 146 Grundgesetz, mit integrativem Charakter für alle Deutschen, wurde nicht genutzt.
Letztendlich fehlte es von Anfang an einer gemeinsamen Staatsidee. Die vielleicht naive Vorstellung vieler Westdeutscher, es werde alles so weitergehen wie vor 1989 in der alten „Bonner Republik“, wurde längst von der Realität eingeholt. Die Vorstellungen von „Deutschland“ gehen in Ost und West durchaus auseinander.
Das Wort „Nation“ löst bei den politischen und medialen Eliten im Westen Unbehagen aus, glaubte man doch, nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges endlich im postnationalen Zeitalter angekommen zu sein. Auch dies hat sich als Irrtum erwiesen, wie die aktuellen Entwicklungen in Europa im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik und bei der Bekämpfung der Coronapandemie zeigen.
Und so stellt sich am heutigen Nationalfeiertag auch die Frage, was macht denn eigentlich die deutsche Nation im 21. Jahrhundert aus? Allein die Erinnerung an das Jahr 1989/90 reicht da nicht aus.
Zum Autor: Holger Hase ist Historiker, Stadtrat und Kreisvorsitzender der FDP Dresden.