Redebeitrag von Holger Hase auf der Demonstration „Demokratie braucht Rückgrat“ am 25. Oktober 2020

Holger Hase, Dirk Hilbert, Dr. Markus Reichel
v.l.n.r: Holger Hase (Kreisvorsitzender FDP Dresden), Dirk Hilbert (Oberbürgermeister Dresden), Dr. Markus Reichel (Kreisvorsitzender CDU Dresden) am 25.10.2020 auf dem Dresdner Altmarkt

Dieser Redebeitrag wurde am 25.10.2020 im Rahmen der Demonstration „Demokratie braucht Rückgrat“ auf dem Dresdner Altmarkt gehalten.

Von Holger Hase (Kreisverband Dresden)

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Dresdnerinnen und Dresdner,

im Namen der Dresdner FDP möchte auch ich Sie ganz herzlich begrüßen. Ich bin dankbar, dass so viele von Ihnen – trotz Corona und der damit verbundenen Einschränkungen – gekommen sind. Ich denke es ist wichtig, dass wir gerade auch in diesen Zeiten, in denen unser öffentliches Leben vielen Einschränkungen unterliegt, politisch unserer Verantwortung als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nachkommen. 

Denn wir demonstrieren heute für Werte, die wir als selbstverständliche Elemente unserer Gesellschaft ansehen.  Wir demonstrieren für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Religion, seiner Herkunft oder seiner sexuellen Orientierung. Wir demonstrieren für eine offene Gesellschaft, in der jeder gleich behandelt wird und dieselben Chancen bekommt. Wir demonstrieren auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Toleranz und gegen Gewalt, politischen Extremismus und religiösen Fanatismus. Wir demonstrieren für unser Dresden! 

Warum ist es überhaupt nötig, heute sechs Jahre nach der Gründung der PEGIDA-Bewegung hier auf dem Altmarkt, im Herzen der Stadt, eine Kundgebung abzuhalten? Warum beteiligt sich daran die FDP als politische Partei? Macht das Demonstrieren nach der Absage des PEGIDA-Geburtstages vom letzten Wochenende überhaupt noch Sinn?

Diese Fragen kann man berechtigterweise stellen und ich möchte versuchen, sie in aller gebotenen Kürze zu beantworten:  

Ich finde, wir haben diesem Spuk, den PEGIDA seit Jahren in der Dresdner Innenstadt veranstaltet, viel zu lange tatenlos zugesehen. Dafür mag es verschiedene Gründe geben: Vielleicht haben wir die gesellschaftliche Sprengkraft der Bewegung anfangs unterschätzt? Vielleicht hatte und hat so mancher im sogenannten bürgerlichen Lager durchaus Sympathien für dort erhobene Forderungen? Vielleicht war es aber auch nur persönliche Bequemlichkeit, die uns davon abgehalten hat, aktiv zu werden? Nicht zu vergessen die Angst des einen oder anderen, vor einer möglichen Vereinnahmung durch linksextreme Gegendemonstranten. 

Alle diese Argumente sind nachvollziehbar, gleichwohl dürfen sie heute, im Herbst des Jahres 2020, nicht mehr als Ausrede herhalten. Sie sind keine Entschuldigung mehr, nichts zu tun. 

PEGIDA ist eine politische Herausforderung für unsere Stadtgesellschaft, das sollte mittlerweile jedem klar sein. Seit Jahren ist die Dresdner Innenstadt eine Bühne für fremdenfeindliche Hetze, politische Intoleranz, Herabwürdigung anderer und offen zur Schau gestellten Menschenverachtung. 

Kurzum, das was hier Woche für Woche, Monat für Monat zum Besten gegeben wird, widerspricht ganz klar dem Menschenbild und den Werten unseres Grundgesetzes. Daher sollte es eigentlich jedem aufrechten Demokraten leicht fallen und geradezu ein Bedürfnis sein, dagegen entschieden Stellung zu beziehen. 

Es gibt bei PEGIDA nichts mehr schön zu reden. Die Zeiten, da „PEGIDA-Versteher“ – auch in meiner eigenen Partei – versuchten diesen Protest mit enttäuschten Nachwendebiografien und der gewachsenen lokalen Protestkultur zu rechtfertigen, sind nun endgültig vorbei. 

Allein ein Blick auf die Liste der Gastredner in diesem Jahr zeigt, wie stark sich die Bewegung radikalisiert hat: Björn Höcke, Martin Sellner, Andreas Kalbitz. 

Dresden wird damit mehr und mehr zur internationalen, medial gut ausgeleuchteten Schaubühne für Rechtsextremisten, Identitäre und sonstige Irrlichter am rechten Recht des politischen Spektrums. Das kann so nicht weitergehen, das muss sich ändern. Hier sind wir alle zum Handeln aufgefordert!

Wir alle tragen Verantwortung für unsere freiheitliche Grundordnung. Wir müssen uns daran erinnern, dass es nicht selbstverständlich ist, heute hier unter dem freien Himmel zu sprechen. Gerade 75 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und 30 Jahre nach der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sollten wir darüber nachdenken, wie schwer es Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der deutschen Geschichte hatten. Nichts ist selbstverständlich, vieles musste von unseren Vorfahren hart erstritten werden. Riskieren wir dieses Erbe nicht grundlos. 

Wir nehmen die europäischen Grundfreiheiten als gegeben wahr. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass wir seit Jahrzehnten in Frieden und Freiheit zusammenleben. Das verkennen diejenigen, die sich gegen die Europäische Einigung wenden und zurück zum Nationalstaat wollen. Die in den Rezepten der Vergangenheit die Antworten für die Zukunft suchen. Es darf kein Zurück zur nationalen Großmannssucht vergangener Zeiten geben!

Demokraten brauchen Rückgrat, um gegen sich gegen die Feinde der Demokratie zu stellen. Hass, Fremdenfeindlichkeit und Hetze gegen Andersdenkende können nicht die inhaltliche Grundlage der Zusammenarbeit, egal auf welcher politischen Ebene, sein.

Demokraten brauchen aber auch Rückgrat, um in der Durchsetzung dieses gemeinsamen Ziels nicht ihre eigenen Regeln und Werte zu verletzen. Meinungsfreiheit ist für mich nicht nur die Freiheit, seine Meinung zu äußern, sondern sie bedingt auch, die Meinung des anderen anzuhören und auf sie zu erwidern. Dabei gibt es keine feste Definition von Meinungsfreiheit. 

Diejenigen, die ihre Meinungsfreiheit in einem totalitären Regime erst für sich erstreiten mussten, mögen etwas anderes darunter verstehen, als diejenigen, denen dies quasi in die Wiege gelegt wurde. Wir müssen lernen, diese Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und  auszuhalten.

Wir Liberalen werden uns deshalb immer dafür einsetzen, dass Freiheitsrechte, insbesondere die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Rahmen der rechtsstaatlichen Grundsätze gewährt und auch durchgesetzt werden. 

Dies findet natürlich dort seine Grenzen, wo diese verbürgten Rechte dazu missbraucht werden, um Straftaten zu begehen. Meinungsfreiheit heißt nämlich nicht, dass man ungestraft beleidigen, herabwürdigen und hetzen kann. Hier müssen politisch aber auch juristisch klare Grenzen gezogen werden. 

Es hat sich etwas verändert hat in unserem Land: Die Grenzen des Sagbaren haben sich durch den wachsenden Rechtspopulismus sichtbar verschoben. Sie führen, nicht nur sprachlich, zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft. Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, dieser Spaltung entgegenzuwirken, die Risse nicht größer werden zu lassen. 

Lassen wir uns von den Feinden der Freiheit nicht unser Handeln diktieren. Setzen wir dem unser Verständnis einer friedlichen, weltoffenen und toleranten Gesellschaft entgegen. Von daher finde ich es auch wichtig, dass wir PEGIDA nicht die Symbole unseres demokratischen Staatswesens, wie die Fahne oder die Hymne überlassen. 

Seien wir stolz auf Schwarz-Rot-Gold, denn es sind die Farben der Freiheit und der Demokratie, tief verwurzelt in unserer Geschichte. Seien wir stolz auf Einigkeit und Recht und Freiheit, denn allein diese Zeile unserer Hymne sagt deutlich aus, worum es geht:

Einigen statt Spalten; gleiches Recht für jedermann statt Recht der Abstammung; Achtung der individuellen Freiheit statt autoritärer Staatsgläubigkeit. 

Als dies sollte uns verdeutlichen, warum es notwendig ist, heute hier zusammenzustehen. Seien wir mutig, haben wir Rückgrat, kämpfen wir für eine freiheitliche Gesellschaft – das wird für alle das Beste sein! Das ist der richtige Weg! Gehen wir ihn, mit Herz und Verstand!

Ich danke Ihnen!

Über „Demokratie braucht Rückgrat“

Wie schon am 17.02.2020 zeigten die Dresdner Freidemokraten am 25.10.2020 gemeinsam mit der CDU Dresden und der Sächsischen Bibliotheksgesellschaft Haltung für ein respektvolles Miteinander und gegen rechtsextremistische Strömungen. In dem gemeinsamen Aufruf hieß es: „Insbesondere PEGIDA hat mit der zunehmenden Radikalisierung zum Rechtsextremismus Schaden an der politischen Kultur, den Einstellungen zu Demokratie und Rechtsstaat und dem friedlichen Miteinander unserer Stadt verursacht.

Hauptredner der CDU war der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziére. Für die Freien Demokraten sprachen unser Kreisvorsitzender Holger Hase, Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert, unser Landesvorsitzender Frank Müller-Rosentritt und Johannes Vogel MdB, der extra aus Berlin angereist war, um am gemeinsamen, positiven Zeichen aus der sächsischen Landeshauptstadt heraus mitzuwirken. 

In seinem Redebeitrag sagte Vogel: „Wir haben schlimmen rechtsextremistischen Terror in Deutschland. Wir haben islamistischen Extremismus. Es geht nicht um ‚oder‘; es geht um ‚und‘.“ Wir hatten neben Parteifahnen auch Europa- und Deutschlandfahnen dabei. Zum Abschluss spielte ein Streichquartett sowohl die National- als auch die Europahymne, denn, so wie es Johannes Vogel in seinem Redebeitrag vollkommen richtig sagte: „Wir lassen unsere deutschen Farben der Demokratie und das Grundgesetz nicht von Extremisten kapern“. Oberbürgermeister Dirk Hilbert forderte uns alle auf, 365 Tage im Jahr für die Werte des Grundgesetzes einzutreten.„Als Liberale und Teil des Bündnisses ‚Demokratie braucht Rückgrat‘ haben wir die Aufgabe, jederzeit gegen Extremisten einzustehen. Wir müssen Radikalisierung und Angriffe auf unsere freiheitliche Gesellschaft erkennen und abwehren. Die Antwort der wehrhaften Demokratie auf Bedrohungen ist es nicht, andere Extreme aufzubauen – sondern Rechtsstaatlichkeit. Nur im Vertrauen darauf und in der Vielfalt gedeiht die Freiheit des Einzelnen. Was uns trotz aller Verschiedenheit eint, ist der feste Glaube an Recht, Toleranz und Freiheit“, sagte Holger Hase, und das haben wir gemeinsam eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

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